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NDW-Star Joachim Witt spricht offen über Panikattacken und Existenzängste

Ehrliche Worte

© Franz Schepers

Mit dem Album „Fels in der Brandung“ erscheint am 15.09. das neue Werk von Joachim Witt. Der NDW-Star schaffte mit „Goldener Reiter“ einst einen riesigen Erfolg. Doch nicht immer lief alles glatt, auch Misserfolge musste der Sänger erleben, was ihn schwer belastete. Im Interview mit Martina Mack spricht er offen darüber – und auch darüber, was ihn privat zu Veränderungen bewegte.



Als 1976 Ihr Debüt-Album „Silberblick“ entstand, sind Sie Vater geworden. Wie hat das Ihr Leben verändert?

Das erste Kind ist natürlich ein großes Ereignis. Aber die Zeit damals war eben auch von großen Existenzängsten geprägt. Ich bewegte mich mehr oder weniger im luftleeren Raum. Wirtschaftlich war das eine Katastrophe. Hier und da hatte ich mal einen Job, aber es war nicht so, dass ich gut aufgestellt gewesen wäre. Meine Sensibilität ist sehr stark ausgeprägt. Ich nehme immer alles mit allen Antennen auf, die mir zu Verfügung stehen. Dadurch habe ich eine Art Verstärker in mir, der das Problembewusstsein eben noch einmal verstärkt.

Das hat sich auch in Panikattacken geäußert. Wie stark hat Sie das belastet?

Die Panikattacken sind immer wieder gekommen in dieser Phase. Das dauerte sogar drei, vier Jahre lang – bis sich der Erfolg einstellte. Als der Erfolg kam mit „Silberblick“, die Bestätigung, dass ich irgendetwas richtig gemacht habe im Leben, dann ließen auch die Panikattacken schlagartig nach. Vor allem meine finanziellen Sorgen, die mich stark beschäftigt haben, sind dann gewichen. Wenn man in solch einer Situation steckt, und ständig Angst um sein Leben hat, obwohl es völlig irrational ist, ist das sehr belastend. Ich musste aber erst einmal dahinterkommen. Auf therapeutischer Ebene war das damals völliges Neuland, Panikattacken waren nicht weiter bekannt. Heute ist das anders: Belastungssyndrome, Burn-out, heute haben die Therapeuten damit ja sehr viel zu tun bei unserer aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung.



Waren Sie damals auch in Behandlung?

Mein bester Freund war Psychologe. Wie alle anderen, kannte auch er sich nicht aus mit Panikattacken. Er konnte mir aber doch den ein oder anderen Hinweis geben, der mir geholfen hat. Durch ihn hatte ich einen gewissen Beistand. Ich habe zu der Zeit auch spirituelle Entspannungsmusik gehört, damit konnte ich sehr gut zur Ruhe kommen.

Mit dem „Goldenen Reiter“ schufen sie 1981 nicht nur einen Mega-Hit, Sie wurden nach einem Auftritt in der ARD-Show „Musikladen“ zum Super-Star der Neuen Deutschen Welle (NDW). Wie haben Sie das erlebt?

Das war ein außergewöhnliches Glücksgefühl für mich. Man kann diesen Moment nur schwer rekapitulieren. Ich weiß auch nicht mehr, was ich in diesem Moment gedacht habe. Aber es war einfach ein unglaublich befreiendes Gefühl, der ganze Druck fiel plötzlich von mir ab. Ich habe den Erfolg nicht einmal gefeiert. Später habe ich dann gedacht: Okay, Gott sei Dank, dass ich doch nicht so falsch gelegen habe. Ich wusste zwar sofort, dass das ein richtig toller Titel ist, aber zunächst einmal passierte rein gar nichts. Erst nach dem Aufritt in der TV-Show ging das Lied durch die Decke.



Ist „Der goldene Reiter“ eine Art Lebensversicherung?

Das kann man so sagen. Der Titel hat mir viel Freude bereitet und ist wirklich eine Lebensversicherung. Das Lied berührt die gesellschaftlichen Vorgänge und Problematiken, auch in unserer heutigen Gesellschaft, wo viele an Burn-Out und Überforderung leiden. Es waren ja auch meine Probleme, meine Panikattacken, weshalb ich diese Nummer geschrieben habe. Es ist ein sehr persönliches Lied, weil es auch mich beschreibt. Und ich habe im Text mein eigenes Schicksal vorausgesehen. 1983 war der Erfolg plötzlich weg. Ich verlor alles.

Damals waren Sie Mitte 30 und standen vor dem AUS, als sich das „Märchenblau“-Album nicht verkaufte und auch das Folge-Album nicht lief. Wie gingen Sie damit um?

Ich bin mit meiner Frau Petra und meinen damals zwei kleinen Kindern Fabian und Kimberly kurzentschlossen nach Portugal an die Algarve gezogen. Das war die absolut beste Entscheidung zu diesem Zeitpunkt. Zum einen ist es dort unglaublich schön. Zum anderen hatte ich dort diesen Ausgleich, der für mich so prägend war. Ich bin ein sehr naturverbundener Mensch, die Landschaft hat mir sehr gut gefallen. Vor allem wollte ich mich aber aus dieser mich umklammernden Situation befreien, und die Algarve war dafür der perfekte Ort.

Weshalb haben Sie sich die Algarve ausgesucht?

Ich hatte dort zuvor mit meinem Management Urlaub gemacht und mich direkt in die Gegend verliebt. Ich kam an einem Haus vorbei, das lag wunderschön auf einem Felsen. Ein kleines portugiesisches Farmhaus. Dieses Haus war gerade zu verkaufen – und ich sagte sofort: „Das kaufe ich!“ Und das zu einer Zeit, in der mich alles Mögliche einholte. Horrende Steuernachzahlungen, außerdem hatte mich mein Steuerberater mit Investitionen falsch beraten. Ich kam in wirtschaftliche Schwierigkeiten, das hatte mir einen richtigen Schlag versetzt. Um wieder Geld zu haben, habe ich mein Mischpult und andere exklusive Studiogeräte verkauft. Im Laufe der Jahre musste ich mich aus der Misere wieder herauskämpfen. Wir waren vier Jahre in Portugal und sind dann zurückgegangen nach Deutschland. Das Haus habe ich wieder verkauft. Im Rückblick war das für mich eine wunderschöne Erfahrung, das würde ich wieder so machen.



Nicht nur Ihre Karriere war ins Stocken geraten, sondern später auch Ihre Ehe mit Petra…

Als ich Mitte 40 war, trennten wir uns. Wir sind längst geschieden, ich habe mittlerweile zwei Scheidungen hinter mir. Petra und ich hatten uns damals auseinandergelebt, aber wir sind heute noch befreundet. Wir sehen uns ab und zu, weil meine Tochter Kimberly bei mir direkt in der Nähe wohnt. Kimberly ist unsere gemeinsame Tochter und insofern sehen wir uns nach wie vor. Mit meiner ersten Frau habe ich meinen Sohn Fabian.

Nach der Trennung von Ihrer Frau Petra kamen Sie mit der Schauspielerin und Sängerin Nadja Saeger zusammen, die Sie auch künstlerisch sehr unterstützt und inspiriert hat. Haben Sie noch Kontakt zu ihr?

Mit Nadja verbindet mich mittlerweile eine lebenslange Freundschaft. Wir waren fast 15 Jahre zusammen. Unsere Liebesbeziehung wurde auf eine esoterische Ebene gehoben. Wir haben einen sehr guten Kontakt, sind uns nach wie vor innig verbunden, und diese Verbundenheit wird auch immer bestehen – bis dass der Tod uns trennt.

Nach der Trennung von Nadja litten Sie furchtbar unter Liebeskummer. Wie haben Sie sich immer motiviert, gerade in Zeiten, wo es nicht so gut lief?

Es war für mich eine grausame Zeit. Ich habe furchtbar gelitten, mir ging es sehr schlecht. Aber trotzdem ist mir auch in dieser Situation wieder etwas Neues eingefallen – das war immer so – in welcher Schwierigkeit ich auch war. Ich bin ein sehr flexibler Mensch, der schnell auf Umstände reagieren kann. Ich konnte mich immer wieder aus eigener Kraft herausziehen. Und meistens war es so: Je tiefer das Tal, desto intensiver wurde meine Musik.



In der Trennungsphase von Nadja haben Sie mit Peter Heppner Ihren sensationellen Hit, „Die Flut“ geschaffen – und wurden zum Star der musikalischen Gothic-Welt…

Das ist richtig. Ich habe komponiert und mir für das neue Album den Schmerz von der Seele geschrieben, bis er langsam nachließ. Ich hatte die Vision von einer Flut, die Bestehendes zerstört und Neues erschafft. „Die Flut“ kam 1998 auf das Album „Bayreuth eins“. Die Beziehung hat sich dann sogar regeneriert, Nadja und ich wurden wieder ein Paar. Diese ganze Problematik mit ihr war der Anstoß für die neue Zielrichtung von Sound. Dadurch kam ich zur Musik der schwarzen Szene. Ich habe gespürt, wie dicht Gothic und EBM an dem Gefühl waren, das ich vermitteln wollte in meinem Liebeskummer.

Das Album „Bayreuth eins“ 1998 war nach einer Durstrecke von 16 Jahren Ihr größter Erfolg. Sie haben sich völlig neu als Ihre eigene Autorität inszeniert – exzentrisch und dramatisch im dunklen Gehrock mit Grabesstimme…

„Die Flut“ war sozusagen der Soundtrack des Neubeginns, die Hymne der bevorstehenden Jahrtausendwende. „Die Flut“ stellte sogar den „Goldenen Reiter“ in den Schatten. Für mich war es ein absolutes Hochgefühl nach so langer Zeit. Es hat mich aus diesem sehnsuchtsvollen Tief geholt. Ich hatte wieder etwas Neues gefunden, das war bis dahin der Höhepunkt meiner Karriere. Bei meinem ersten Konzert in Berlin mit den „Bayreuth“-Liedern kamen mir die Tränen, als ich sah, wie viele Menschen sich vor der Konzerthalle drängten. Wir haben danach noch zwei weitere „Bayreuth“-Alben produziert.



Gehörte zum Neubeginn auch, dass Sie sich fast nur noch vegetarisch ernähren?

Das war schon etwas früher, Anfang der 90er, als ich die Band „Metallic Traffic“ produzierte. Es war unsere erste Besprechung, wir kannten uns noch gar nicht, als der Sänger mich plötzlich fragte: „Was, du isst noch Fleisch“? Das kam so trocken über den Tisch, und ich dachte: „Was meint er denn jetzt?“ Ich habe dann darüber nachgedacht und es war tatsächlich wie ein Schalter, den ich umgelegt habe. Heute ernähre ich mich weitgehend vegetarisch und es geht mir gut damit.

In Ihrer Biografie schreiben Sie auch, dass Sie dem Alkohol so gut wie entsagt haben?

Ich habe damit immer mal wieder pausiert. Allerdings trinke ich einfach gerne mal ein Gläschen Wein zum Essen. In den letzten Jahren ist der Alkohol allerdings mehr zur Ausnahme geworden. Jetzt, mit fast 75 Jahren, habe ich ihm fast völlig entsagt. Ich habe mir gesagt: Du musst dich entscheiden, ob du bestimmte Dinge weitermachst, oder ob du sie einfach mal lässt – zugunsten von vielleicht noch etwas mehr Lebenszeit. Jetzt, in meiner aktuellen Lebensphase, sind ja schon fünf Jahre entscheidend. Ich denke über diese Dinge heute anders nach. Ich möchte so lange wie möglich gesund und flexibel bleiben, weiterhin auftreten können. Da muss man schon aufpassen, dass man keinen groben Fehler macht in der Ernährung und mit den Dingen, die man zu sich nimmt.

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Kevin Drewes

Als der rasende Reporter (so der Name, der mich in der ganzen Branche bekannt machte) setze ich seit 2018 für verschiedene Medien, die davon sehr profitierten, meine Expertise ein. Zum Sommer 2023 wagte ich dann den nächsten großen Schritt und gründete mit meiner Lebensgefährtin eine eigene Firma, die Puls-Medienportale UG – und so eben auch das dazugehörige Fachportal www.schlagerpuls.com.

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