Nino de Angelo schaut nach vorn. Er ist wieder trocken, trinkt keinen Tropfen Alkohol mehr. Mit neuer Musik und der Planung der nächsten Tour, schaut der Musiker nach vorne. Im Interview mit Martina Mack sprach er über sein aktuelles Album, wie es ihm jetzt geht und wie er seine inneren Dämonen im Griff hat. Dabei gestand er auch, welche Lektionen er gelernt hat…
Wie geht es Ihnen, Herr de Angelo?
Mir geht es wunderbar. Ich bin viel am Arbeiten. Was mir nicht so gefällt, ist das Wetter. Es ist hier gerade ziemlich kalt und stürmisch. Das Klima im Allgäu ist einfach nicht meins (lacht).
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Doppel-Album “Irgendwann im Leben = Jetzt & live”. Die neue Deluxe-Edition enthält auch eine Live-Version von “Jenseits von Eden”, sowie drei brandneue Songs…
Ja, ich war fleißig. Es ist auch eine sehr gefühlvolle Ballade dabei, die ich im Duett mit Marina Marx singe. Das Lied heißt: “Liebe fühlt sich anders an”. Ich finde, das Album hat eine richtig schöne Atmosphäre. Wenn man es hört, fühlt man sich direkt ins Konzert versetzt. Als würde man mittendrin sitzen. So können auch die Fans, die nicht auf der Tour dabei sein konnten, diese Live-Atmosphäre erleben.
Wieso haben Sie das “JETZT” auf dem Album so betont?
Es soll die Botschaft des Albums noch einmal verdeutlichen, die mir wichtig ist. Es geht um die Frage, worum es im Leben wirklich geht. Es geht um Liebe, um die Familie. Es geht darum, dass wir diese begrenzte Zeit, die wir auf der Erde sind, JETZT so gut wie möglich nutzen und auch für andere Menschen da sein sollten. Wir sollen glücklich sein, das ist der Sinn des Lebens. Der Sinn des Lebens kann nicht sein, dass wir ständig unter Druck sind, ständig Geld verdienen müssen, um unsere Rechungen zahlen zu können. Das macht auf Dauer krank. Die Uhr tickt, und irgendwann ist es vorbei. Man sollte sich immer darüber im Klaren sein, dass man sterblich ist.
Wie haben Sie Ihre Live-Tournee im Sommer erlebt?
Es war eine sensationelle Tournee, mit großen Emotionen und vielen berührenden Momenten. Ich habe auch eine hervorragende Band und wir wachsen immer mehr zusammen. Für mich habe ich gespürt, das ist immer mehr mein Ding. Eigentlich war es schon immer mein Ding, aber ich will das nun noch mehr ausweiten. Die Musik zu schreiben, und sie dann auf die Bühne zu bringen – das ist das, was mir eigentlich am meisten Spaß macht im Musikbusiness. Und dann eben in Form von eigenen Konzerten. Das ist schon etwas anderes als von einer Veranstaltung zur anderen zu ziehen. Eine eigene Tournee ist schon Luxus, das ist richtig geil (lacht).
Gibt es etwas, was Sie dabei ganz besonders berührt hat?
Die Reaktionen der Fans, die sich unglaublich gefreut haben. Das sind ja nur Fans, die wegen mir gekommen sind. Schon beim ersten Song sprang gleich der Funke über und das blieb auch so bis zum Ende des Konzertes. Das war sehr, sehr intensiv und schön. Es ist natürlich ganz anders als bei Veranstaltungen, wo mehrere Künstler auftreten. Dort sind dann halt nicht nur deine Fans sondern auch die Fans der anderen. Da muss man manchmal schon ziemlich kämpfen, um die Gunst des Publikums zu gewinnen. Beim eigenen Konzert kommen die Leute nur wegen dir. Genau. Das ist wie ein gemachtes Nest, einfach kuschelig warm und schön. Es ist eine besondere Art von Anerkennung und Liebe, die mir meine Fans entgegenbringen. Und umgekehrt kommt ja auch ganz viel Liebe von der Bühne nach unten (lacht).
Sie sagten einmal, dass Sie am liebsten schon viel früher auf Tour gegangen wären…
Ja, das stimmt. Das hätte ich gerne gemacht. Aber wie heißt es so schön: Hätte, hätte, Fahrradkette. Viele Dinge standen mir damals im Weg, am meisten ich mir selbst vermutlich. Es hat sich auch alles verändert bei mir. Ich brenne nach wie vor wirklich für das, was ich mache. Und es macht einfach viel, viel Spaß und es ist mir sehr viel wert. Es ist mir so viel wert, dass ich wirklich mein ganzes Leben dafür umgekrempelt habe.
Meinen Sie damit, dass Sie den Kampf gegen Ihre Dämonen gewonnen haben?
Kann man sagen, dass man diesen Kampf für immer gewonnen hat? Ich weiß nicht, ob man den jemals gewinnt im Leben. Aber man kann ihn unter Kontrolle haben. Und ich trinke jetzt gar nichts mehr. Ich bin jetzt im vierten Monat komplett alkoholfrei. Ich nehme nicht einmal eine “Mon Cheri” Praline. Keine Form von Alkohol spielt für mich mehr eine Rolle. Und das ist eigentlich der wichtigste Punkt gewesen. In der Vergangenheit hat das überhand genommen und hat meinen Weg dahin, wo ich ihn hin möchte, erschwert. Diese Hürde, bzw. dieses Hindernis besteht jetzt nicht mehr. Auch diese Angst, dass man abstürzen könnte, wenn man trinkt, besteht nicht mehr. Weil ich einfach überhaupt nichts mehr trinke. Ich lasse meine Finger vom Alkohol. Das ist der beste Weg für mich. Der war hart, aber ich habe es geschafft.
Wie geht es Ihnen damit?
Es geht mir viel besser. Körperlich, geistig, auch meine Kondition hat sich deutlich verbessert. Ich habe auch fast keine Depressionen mehr. Damit hatte ich ja immer zu kämpfen. Ich dachte mir: Okay, das ist halt so. Das kriegt man nicht in Griff. Aber man kriegt es in den Griff, man muss nur den richtigen Dämon killen und einen habe ich jetzt gekillt, ich habe sogar schon mehrere gekillt (lacht). Der Rauch-Dämon ist zwar noch da, aber den nehme ich als nächstes in den Angriff. Mein Ziel ist erst einmal, ein Jahr lang alkoholfrei zu sein, komplett abstinent von Alkohol und Drogen, dann geht es dem Rauch-Dämon an den Kragen.
Haben Ihre Süchte Sie immer wieder ausgebremst?
Das kann man schon so sagen. Es ist kein schönes Gefühl, wenn du noch mal was erreichen willst, und du weißt, dass das der Grund ist, warum es nie geklappt hat. Das Schlimmste ist, wenn du dich auf dich selbst nicht verlassen kannst. Dazu kommt, dass die Veranstalter vielleicht Abstand nehmen und sagen: “Mensch, das ist riskant mit Nino. Am Ende stürzt er mir ab, das war’s dann mit der Show!” Da steckt so viel Arbeit drin, die ganzen Investitionen sind dahin. Das war also das erste, was ich in Angriff nehmen musste.
Wie war das bei den ersten Tourneen?
Bei den ersten Tourneen, also vor drei Jahren, habe ich ja noch getrunken, aber ich hatte das während der Tour immer im Griff. Schlimm wurde es nach der Tournee. Dann kam immer der komplette Absturz. Wenn ich nach Hause kam, fiel ich immer in dieses Loch – und das konnte ich dann nicht mehr ertragen. Das hat mich richtig fertig gemacht. Die Tournee war immer so schön und dann kam die Leere. Man kann das mit Alkohol nicht wegtrinken. Das macht keinen Sinn. Egal, wie man es dreht und wendet, die einzige Erkenntnis war für mich, komplett damit aufzuhören. Es war schwer, wenn man 40 Jahre lang diesen Weg gegangen ist – nach gefühlt einer Million Kilometer auf diesem Weg umzudrehen und zu sagen, ich gehe nicht mehr weiter.
Im Showbusiness wird viel getrunken, wie wollen Sie sich da schützen?
Ja, das ist richtig, aber ich muss versuchen, mich davor zu schützen. Man muss wissen, wo geht man hin, wo geht man nicht hin. Man muss sich dem nicht aussetzen. Du musst nicht in die Höhle des Löwen gehen, um zu testen, ob du stark genug bist. Wenn du das jetzt ein Jahr lang durchgezogen hast, dann macht dir das auch nichts mehr aus. Es macht mir heute schon nichts mehr aus. Ich kann auch daneben stehen, wenn andere trinken.
Haben Sie eine Art Therapie gemacht?
Ich habe Hypnose gemacht, allerdings hatte ich nur eine Sitzung bei einem sehr, sehr guten Mann in Köln und das hat gereicht. Aber natürlich ist der Wille entscheidend. Du musst es wollen. Es reicht nicht zu sagen: Okay, dann trinke ich jetzt halt nichts mehr. Ich will es einfach nicht mehr. Ich habe mir gesagt: Das war’s, Schluss mit dem Alkohol, das reicht – und zwar für immer! Dann kam noch die Hypnose dazu und das war perfekt.
Müssen Sie die Hypnose regelmäßig machen?
Ich kann das wiederholen, wenn ich das Gefühl habe: Mensch, ich würde jetzt gerne mal ein Bier trinken oder wenn ich zu oft an Alkohol denke. Das ist aber gerade überhaupt nicht so. Wenn ich mal den Bier-Geschmack brauche, dann trinke ich ein alkoholfreies Bier – und das passiert vielleicht einmal im Monat. Tatsächlich bekommt es mir auch nicht mehr. Mir wird regelrecht schlecht. Vermutlich hat das die Hypnose bewirkt.
Wie findet es Ihre Freundin Simone, dass Sie nichts mehr trinken?
Simone ist total glücklich darüber. Sie hat sich das ja immer gewünscht. Die unterstützt mich, wo sie kann. Sie trinkt jetzt auch nichts mehr, aus Solidarität. Das finde ich natürlich toll. Trotzdem ist bei uns immer etwas im Haus, auch wenn Besuch kommt. Wir haben die Bude voll mit Alkohol. Unten im Keller stehen bestimmt 20 Kisten Wein und Whiskey, aber das stört mich nicht.
Das Album ist ja auch ein bisschen ein Blick in den Spiegel. Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?
Wenn ich heute in den Spiegel schaue, dann bin ich stolz. Ich bin stolz, es bis hierhin geschafft zu haben. Und ich sehe, dass ich mich freue. Ich mag mich selber sehr gerne, so wie ich bin. Das hat natürlich mit Selbstliebe zu tun. Ich habe wieder gelernt, mich zu lieben. Ich glaube, dass ich heute die beste Version von mir selbst bin und die kann man noch ein bisschen perfektionieren. Ich habe einfach große Lust, das so weiter fortzuführen. Ich möchte noch ein paar Jahre wirklich Spaß haben an der Arbeit und natürlich weiterhin erfolgreich sein.
Das heißt, wir dürfen uns weiter auf schöne Lieder von Nino de Angelo freuen…
Ja, solange meine Stimme so bleibt, und ich Freude daran habe, werde ich weiter singen. Ich möchte in Zukunft aber auch nur das machen, worauf ich Lust habe, nichts arbeiten, was mich runterzieht. Ich bin auch viel klarer im Kopf. Ich sehe mein Weg ganz klar und weiß, was ich will und was ich nicht will. Ich bin sehr stabil. Das heißt, ich schwenke nicht um, auch nicht, wenn jemand kommt und meint, ich solle gewisse Dinge vielleicht besser anders machen. Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann mache ich das genau so, denn es ist das Wichtigste, authentisch zu sein und sein Ding zu machen. Natürlich kann man sich ab und an Ratschläge holen, aber man sollte eigentlich nur auf sich selbst und auf seine innere Stimme hören.
Das klingt, als hätten Sie aus entsprechend negativen Erfahrungen gelernt…
Ja, ich habe meine Lektion gelernt. Wenn man labil ist und trinkt, ist man instabil und lenkt dann ein, wo man eigentlich nicht hätte einlenken sollen. Früher musste ich oft Dinge aus finanziellen Gründen tun oder mich auf Sachen einlassen, nur um Geld zu verdienen. Das möchte ich nicht mehr. Wenn man jung ist, ist das okay, aber jetzt mit fast 62 Jahren glaube ich nicht, dass ständiger Druck so gesund ist für die Psyche und die Seele. Ich bin ja kein Bühnenjunkie, ich sehe das aber bei so manchen Kollegen, die schon über 80 sind und einfach immer auf die Bühne müssen. Das verstehe ich nicht ganz, außer, sie tun es, weil sie Angst haben, dass das Geld nicht reicht. In dem Punkt habe ich, Gott sei Dank, jetzt die Kurve gekriegt. Finanziell sieht es bei mir gut aus und deswegen kann ich es mir leisten, auch Dinge einfach nicht zu machen. Ich kann das analysieren und sagen: Hey, das bringt nichts und deshalb mache ich es auch nicht.



